Fast jeder ETF Anleger hat China im Portfolio. Jetzt hat die Regierung dort zahlreiche Geschäftsmodelle zerstört und vertreibt Aktionäre in Scharen aus den chinesischen Unternehmen raus. Ist es jetzt Zeit, China und chinesische Aktien aus dem Portfolio zu entfernen? Darum geht es im heutigen Artikel.
China, ein Land, in dem ich selbst ein halbes Jahr gelebt habe, das ich sehr schätze und wo ich auch viel investiere. Dafür nutze ich, wie viele Anleger eine Welthits Strategie. Doch während viele andere dabei in einer Aufteilung von z.B. 80 Prozent Industrieländer und 20 Prozent Schwellenländer oder 70 Prozent Industrie und 30 Prozent Schwellenländer investieren, so bevorzuge ich das persönlich offensiver anzugehen und stattdessen in einem 50:50 Model in beide Kategorien gleich viel zu investieren.
Das bedeutet zu einem wesentlich mehr Risiko und das hat sich auch zum Teil realisiert. Die chinesische Regierung hat nämlich einen starken Einfluss auf den Markt. Zum Beispiel die Absage zum Börsengang für Alibaba, strengere Regel für chinesische Tech-Konzerne und dem Verbot ganzer Geschäftsmodelle wie E-Learning beispielsweise.
Das führte zu Abwertungen vieler lokaler Unternehmen und viele Anleger fragen sich zu Recht, ob sich eine Investition in China langfristig rentieren wird – zumal es keine Gerichte gibt, die der Regierung einen Riegel vorschieben können.
Lohnt sich also eine Investition in China?
Ein klarer Hinweis an dieser Stelle: Ich bin kein Anlageberater, sondern stelle nur meine persönliche Meinung und Strategie dar und auch die muss nicht unbedingt richtig sein.
Ich habe 2018 ein halbes Jahr in China gelebt, und zwar in genau der Stadt, in der Alibaba, die in letzter Zeit so oft in den Schlagzeilen waren, Hangzhou – nicht unweit von Shanghai. Ich war auch auf dem Campus vor Ort und es ist wirklich erstaunlich, wie aus dem Nichts innerhalb von etwa 20 Jahren sich so viele riesige Plattform-Konzerne entwickeln konnten, wie eben Alibaba auch, die ich dann auch jeden Tag in China genutzt habe.
Zum Beispiel Alipay, mit der man Taxen und Essen bestellen kann, die Rechnung vom Restaurant bezahlen, wenn man vor Ort ist oder ein Straßenhändler bezahlen, sein Geld aber auch anlegen kann und auf Social Media aktiv sein kann.
Solche Mega Apps gab es und gibt es bei uns in Europa gar nicht. Und wem diese super App gehört, der hat natürlich auch enorme Macht und kann auch vielleicht die Macht der kommunistischen Partei Chinas gefährden.
Man kann jetzt sagen, dass man wegen dieser ganzen staatlichen Eingriffe jetzt erst mal nicht mehr in China investiert und den Sparplan z.B. so umstellt, dass man vorerst einfach nicht mehr dort investiert, sondern nur noch in entwickelte Märkte wie die USA und Europa zum Beispiel.
Ich für meinen Teil mache das allerdings nicht und investiere weiter als gewohnt in meiner 50 Prozent Industrieländer, 50 Prozent Schwellenländer Aufteilung. Und so macht China weiterhin 19 Prozent von meinem gesamten ETF Portfolio aus und etwas weniger vom Gesamt-Portfolio.
Der Grund dafür liegt darin, dass ich ja zum einen sehr langfristig investieren möchte, 10-15 Jahre aufwärts und mich mehr und mehr von solchen kurzfristigen Ausschlägen nicht umstimmen lasse. Ich meine aber auch, dass China aktuell das einzige Land wirklich ist, das seine Tech-Konzerne wirklich kontrollieren kann und dadurch wieder mehr Wettbewerb erlaubt. Mehr Innovation und dadurch mehr Wohlstand entstehen auch für uns als Investoren.
Wer immer weiter so riesige Konzerne, die wirklich das ganze Leben in China kennen, weiter ungezügelt wachsen lässt, gefährdet auf der einen Seite natürlich die eigene Macht, aber auf der anderen Seite auch den Wettbewerb.
Auf der anderen Seite aber sind Kundendaten der wichtigste Rohstoff unserer Zeit, wenn es um Wachstum geht. Besonders große Tech-Unternehmen haben davon mehr als genug. Und natürlich würden sie diese nicht zum eignen Nachteil mit kleineren Unternehmen teilen und so zum Monopol in ihrem Bereich aufsteigen. Das wiederum gefährdet den Wettbewerb auf dem Markt.
Wie sieht es im Vergleich dazu in Deutschland aus?
Es gibt ein Start-up namens Romeo, das ist ein Reise- und Buchungs-Portal, über das man auch Fahrten in Echtzeit vergleichen lässt und so schneller als bisher mit verschiedenen Verkehrsmitteln ans Ziel kommt. Um allerdings genaue Vorhersagen zu den Fahrzeiten bei der Deutschen Bahn machen zu können, muss die Deutsche Bahn, die das Monopol auf diese Daten hat, diese Daten erst mal freigeben.
Und das macht sie seit Jahren nicht. Das heißt, dieses Start-up kann seine Kernkompetenz bei allen anderen Verkehrsmitteln ausspielen, aber nicht beim Machtmonopol der Deutschen Bahn. Allerdings hat die Bahn sich jetzt entschieden, diese Daten an Google weiterzugeben, aber nicht an Romeo. Jetzt hilft der eine Monopolist also dem anderen. Und ich meine, genau solche Entwicklung will die chinesische Regierung durch ihr Eingreifen unterbinden.
Könnte Peking damit also tatsächlich die Innovationskraft im Lande stärken? Durch diese Regulierung würde sie auch selbst davon enorm profitieren. Denn ihre Legitimation kommt vor allem aus dem immensen Wachstum des Landes in den letzten Jahrzehnten.
Sie können also kein Interesse daran haben, die Privatwirtschaft abzuwürgen. Und das machen Sie sicherlich nicht mit Absicht. Auch im Westen wollen gefühlt alle die Macht von Google, Facebook, Amazon und Co. begrenzen, aber scheitern bisher.
Die Cost of Doing Business
In den USA hat die Federal Trade Commission, die für Verbraucherschutz und fairen Wettbewerb sorgen soll, den letzten Prozess gegen Facebook verloren, bei welchem sie die Übernahme von WhatsApp und Instagram 2012 und 2014 rückabwickeln wollten.
Jetzt wird ein neuer Versuch mit einer überarbeiteten Klage ausgerollt. Keiner kann aber im Moment sagen, wie das Ganze ausgehen wird. Google selber wird jährlich für Kartell-Verstöße verklagt.
Mehr als acht Milliarden Euro mussten sie so in den letzten Jahren an die EU zahlen. Hat es etwas an Googles Verhalten geändert? Nicht wirklich. Das scheint mir für Google und anderen Konzernen die sogenannte Cost of Doing Business zu sein, während der Wettbewerb leidet.
Aber daran sieht man einfach schön, wie man sich als Monopolist einfach über geltendes Recht über Jahre in größerem Umfang hinwegsetzen kann und dafür dann vielleicht eine Strafe zahlen muss.
Ist das also noch ein freier Markt? Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht dafür Großkonzerne zu enteignen oder sowas, sondern einfach nur im Zweifel aufzuspalten, wenn sie ein Monopol haben und so Gesetze brechen und Wachstum und Wohlstand von allen anderen bedrohen.
China könnte jetzt also ihre eigenen Monopolisten im eigenen Land zerschlagen und dafür sorgen, dass aus einem Megakonzern viele kleinere Unternehmen entstehen, die miteinander im Wettbewerb sind. Auch im Entwurf der EU-Kommission vom Digital Markets Act, der für mehr Wettbewerb in digitalen Märkten sorgen soll, steht die Zerschlagung als letztes Mittel drin. Und trotzdem verunsichert China die Investoren mit seinem Vorgehen.
Da China aber selbst davon enorm profitiert, wenn seine Unternehmen langfristig wachsen, sehe ich auch hier wenig Risiken dafür, dass die chinesische Regierung die Börsen komplett zerstören wird. Und aus diesem Grund bleibe ich bei meiner Strategie. Auch, wenn ich zugegeben selbst schon an diesen Weg gezweifelt habe. Doch trotz schlechten Ergebnissen in diesem Jahr, glaube ich weiterhin an Wachstum im Land der aufgehenden Sonne.
Fazit: Jetzt ist der beste Zeitpunkt, um seine Strategie auf den Prüfstand zu stellen.
Ob man jetzt weiter in China investieren sollte, das ist am Ende die Frage und falls ja, wie viel? Fakt ist: Investitionen in China bleiben weiterhin ein Risiko und wer schwache Nerven hat und auf Nummer sicher gehen will, der sollte sich Gedanken darüber machen, seinen Anteil in China zu reduzieren.
Wenn du aber eher das Potenzial für günstige Einstiegskurse siehst und weiterhin an Chinas wirtschaftlichen Aufschwung glaubst, dann kann es natürlich Sinn ergeben dabei zu bleiben.
Wie aber schon am Anfang gesagt, kann ich mit dieser Logik aber auch ganz klar falschliegen.